Absurd...
Unser Kreiskrankenhaus war finanziell nie so sonderlich stabil.. aber es war ok. Die Verluste liesen sich durch die staatlichen Ausgleichszahlungen immer decken, so das am Ende ein leichtes Plus stand.
DANN kam die Entscheidung aufgrund Empfehlung eines Experten eingesetzt von Lucha, dem Gesundheitsministers in BW, die Regionalkrankenhäuser zu schließen. Abgesehen davon das man darüber streiten kann ob es akzeptabel ist wenn das nächste Krankenhaus von der größten Stadt im Landkreis 35min entfernt ist und manche Gemeinden nun bis zu 1h brauchen, sind die Regionalkrankenhäuser seit 2 Jahren geschlossen und wurden durch den Ausbau des Kreiskrankenhauses an Kapazitäten kompensiert. Es gibt an den geschlossenen Standorten kein MVZ oder vergleichbares als Ersatz.
Und was ist passiert? Das Kreiskrankenhaus ist seit 2 Jahren faktisch insolvent. Der Laden hat 10% der Belegschaft gekündigt, verfügt nun über mehr als 500 Betten von denen aber nicht mal 300 betrieben werden können und wird durch Zahlungen des Trägers und des Landkreises zahlungsfähig gehalten.
Der Grund dafür ist simpel und doch vielfältig.
1. Die Regionalkrankenhäuser waren großteils bei den OPs voll ausgelastet aufgrund der Belegärzte. Diese haben auch Betten "gemietet" für stationäre eingriffe und dem Krankenhaus dafür Geld bezahlt. Das führte dazu das beide Regionalkrankenhäuser schwarze Zahlen schrieben. Und mithilfe dieser Gewinne konnten die Verluste des Kreiskrankenhauses ausgeglichen werden großteils.
Durch die Schließung der Regionalkrankenhäuser und damit verbunden den Wegfall der gesamten Einnahmen durch die Belegärzte, da diese nicht 30-40min in die Kreisstadt fahren wollen für OPs, Rufbereitschaft, Notfälle ihrer OPs, etc fehlen nun viele Einnahmen. Während auch die Ärzte fehlen und daher nun selbst welche eingestellt werden müssen.
2. Das Krankenhaus hat zur Kompensation dieser Kapazitäten einen Neubau gebaut um die Zahl der Betten im Landkreis stabil zu halten und sogar weiter zu erhöhen (etwa um 20%). Ziel war es dadurch Attraktiver zu sein und alle Patienten im Landkreis weiterhin behandeln zu können.
Leider wurden dabei zwei kleine Faktoren übersehen. Zum einen gibt es Krankenhäuser in den Nachbarlandkreisen die nun näher an den ehemaligen Standorten sind oder gleichweit und daher für sagen wir nicht durch den RTW eingelieferte Patienten im Notfall daher deutlich attraktiver sind (Zeit ist da nun mal immer der entscheidende Faktor) und zum anderen die kleine Tatsache dass das Image des Kreiskrankenhaus (im Gegensatz zu den Regionalkrankenhäusern) absolut grotten schlecht ist. Das heißt das die Patienten nun sogar absichtlich etwas weiter fahren. Fazit ist, dass das krankenhaus an privatem Zulauf etwa 60%!!!! der Einwohner im Einzugsbereich verloren hat (theoretisch, praktisch gibt es sicherlich weiter Leute die da hinfahren, aber es ist deutlich merklich das es viel weniger sind). Es gab sogar im Gemeindeblatt, etc aufrufe zum Lokalpatriotismus bitter wieder ins Kreiskrankenhaus zu gehen statt woanders hin.
3. Die Idee war auch, dass das Personal der regionalkrankenhäuser ins Kreiskrankenhaus mit wechselt. Leider ist auch die Idee nicht aufgegangen. Wieso? Im kern drei Faktoren: Das Krankenhaus bezahlt im Umkreis am schlechtesten. Andere Krankenhäuser sind Pendeltechnisch nun besser erreichbar und die Tatsache das alle Krankenhäuser händeringend hier Personal suchen.
Eine Folge der nun folgenden Einsparungen btw war (abgesehen von 10% Kündigungen außer Pflege), das die Notfallpraxis ihre Öffnungszeiten von ehemals 8-22 Uhr an Feiertagen und Wochenenden durch den Neubau auf 24/7 ausgeweitet hat und nun auf 10-19Uhr an Sonn- und Feiertagen reduziert hat.
Das es schwer ist noch richtig deutsch sprechende Ärzte dort zu finden, das die Ärzte sich teilweise selbst wiedersprechen, etc.. davon wollen wir mal nicht sprechen.
Fazit: Krankenhaus wurde zentralisiert, Regionalkrankenhäuser geschlossen und aus einem finanziell seit Jahren stabilen Krankenhaus wurde ein Insolvenzfall der jährlich inzwischen mit über 20Mio vom Landkreis und dem Betreiber bezuschusst werden muss.
Die Frage ist also: ist zentralisierung ohne Analyse der Faktoren wirklich immer sinnvoll? Und inwieweit ist es vertretbar Regionalkrankenhäuser zu schließen, wenn dadurch schwarze Löcher ohne Versorgung entstehen. Welche Distanzen (Fahrzeit) zum nächsten Krankenhaus sind für größere Gemeinden vertretbar? Ist es "angemessen" das Städte mit 30.000 Einwohnern 35min vom Krankenhaus entfernt liegen oder Städte auf der schwäbischen Alb (wenn die aktuellen Planungen umgesetzt werden) über eine Stunde brauchen. Und wenn das letzte Regionalkrankenhaus dort geschlossen wird sogar dochmal deutlich mehr. Aktuell zwar nicht geplant, aber man weis ja nie.
Btw: die letzte Krankenhauskarte die ein Experte mal gezeigt hat, habe ich hier in der Region geprüft. Und sie war falsch. Und zwar grob fahrlässig falsch. Sie umfasste bkürzlich geschlossene Regionalkrankenhäuser, sie umfasste Krankenhausstandorte die seit 20 Jahren kein Krankenhaus mehr haben und auch kein MVZ oder ähnliches. Und erfasste Standorte die NIE ein Krankenhaus hatten... aber private Fachkliniken für Orthopadie oder so.
Und das ist leider kein Einzelfall. Ich kenne zwei weitere Krankenhäuser die von finanziell angespannt aber stabil zum Insolvenzfall wurden durch Zentralisierungen und Vergrößerungen.
Ich habe meine Hoffnungen aktuell in ein Regionalkrankenhaus gesteckt, das hoffentlich Modell macht. Denn eine Gemeinde im Nachbarlandkreis hat sich gegen die Schließung gestemmt und das Regionalkrankenhaus mit Hilfe der Nachbargemeinden kurzerhand übernommen. Und es funktioniert, da die Verluste so gering sind das die Gemeinden das problemlos auffangen können. Und es machte Sinn, weil das nächste Krankenhaus 35min entfernt gewesen wäre bei schlechten Straßen. Und obwohl ländlich ist auch das Personalproblem nicht größer als anderswo. Und hoffe das mehr Städte und Gemeinden den Mut dazu finden das zutun.
Es braucht ja keine vollen Regionalkrankenhäuser. Aber ambulate Erstversorgung, Eingriffe und Notfallerstversorgungen sollten gewährleistet werden. Stationär kann ja ausgelagert sein in die Kreiskrankenhäuser.
zum Thread:
Dennoch euch allen ein schönes neues Jahr und ich hoffe das ihr das neue Jahr nicht im Krankenhaus beginnt