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der herrscher

Insel-Eroberer

  • »der herrscher« ist der Autor dieses Themas

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1

Montag, 25. August 2008, 01:32

meiner (schul)bildung nach endet das mittelalter 1492 mit der entdeckung amerikas. das ist aber sicher nur ein standpunkt, manchmal wird auch die verbreitung des buchdrucks (1450) als datum herangezogen. einige historiker negieren aber auch jedes fixe datum, sprechen von einem langsamen übergang.

1404 könnte man meiner ansicht nach also noch ins mittelalter verfrachten. ich persönlich bin sowieso der ansicht, dass das mittelalter erst mit der aufklärung endete :)
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Scipio Maior

Vollmatrose

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2

Montag, 25. August 2008, 09:17

Zitat

Original von der herrscher
meiner (schul)bildung nach endet das mittelalter 1492 mit der entdeckung amerikas. das ist aber sicher nur ein standpunkt, manchmal wird auch die verbreitung des buchdrucks (1450) als datum herangezogen. einige historiker negieren aber auch jedes fixe datum, sprechen von einem langsamen übergang.

1404 könnte man meiner ansicht nach also noch ins mittelalter verfrachten. ich persönlich bin sowieso der ansicht, dass das mittelalter erst mit der aufklärung endete :)


Das sagst du, weil du Deutscher bist, und ihr nördlich der Alpen eh immer zurückgeblieben ward. Ist eben euer Standpunkt, aber eben nur, wenn man nicht über den Tellerand schaut! Das ist nämlich das viel größere Problem, nämlich, dass das Mittelalter weniger mit durchschlagenden Ereignissen endet, sondern fließend von Region zu Region unterschiedlich.

Da aber die südlichen Mittelmeerländer Beziehungen zum Orient aufnahmen, und ich keine hanseatischen Koggen sehe, geschweige denn englische Segler, gehe ich von den italienischen Staaten (Genua, Venedig etc.), sowie den iberischen aus, namentlich Kastilien, Aragon und Portugal. Und die waren um 1400 wirklich schon weiter als ein gewisses Volk, welches keine Gabeln benutzte, weil das Teufelswerk war, keine doppelte Buchführung kannte, und für welches perspektivische Malerei ein Fremdwort war.

So mal als Notiz: in Italien beginnt die Renaissance mit der Wiederentdeckung des Humanismus, und die wird grob mit Petrarca datiert, als er einen Berg (Mont Ventoux) bestieg. War so 1336! Für die Mittelmeervölker war die Frühe Neuzeit also bereits alt, als ein gewisser Herr Gensfleisch in Mainz aus einer ehemaligen Weinpresse eine Technik erfand, die es so ähnlich bereits in China seit ca. 400 Jahren gab. Allerdings haben letztere mal wieder verpennt, dass sie was Bahnbrechendes erfunden hatten, aber das war ja nicht das einzige Mal.

Aber für die Deutschen gilt ja immer: 1452 (Buchdruck!), 1453 (Konstantinopel fällt!), 1492 (Amerika!), 1517 (Wittenberger Mönchlein haut Papier an Tür!). Alles schöne kleine Stichwörter, so wie die französische Revolution. Von ein auf den anderen Tag ist alles anders.
Obwohl nur zwei der genannten Ereignisse wirklich Auswirkungen auf die Splitterstaaten des HRRDN hatte. :g:


Ganz knapp: Für die Völker, die es betrifft, war es bereits 1404 Renaissance. War in anderen Teilen Europas vielleicht nicht so, aber die sind eh nicht gefragt. :P
  Palatina la caduta. Weil Forenrollenspiele dem Untergang geweiht sind.

der herrscher

Insel-Eroberer

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3

Montag, 25. August 2008, 11:21

jaja schon gut, gleich wird die "off topic keule" (völlig zurecht) auf uns niederrasen. und für jemanden der mir an anderer stelle polemik vorwarf...nicht übel!

by the way: ich bin kein deutscher, deine abfälligen bemerkungen sind bei mir also fehl am platz! abgesehen davon sind deine hochgelobten mittelmeerländer heute alle dankbare empfänger deutscher eu kohle!
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Scipio Maior

Vollmatrose

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4

Montag, 25. August 2008, 12:37

Ich bitte schon einmal einen Mod, das hier herauszutrennen, unter "Geschichtsgeschwafel zu Anno1404" oder sonst ein Stichwort, bin da nicht sonderlich kreativ!

Polemisch? Die Staaten des nachmaligen Deutschen Reiches waren insgesamt bis zur Industriellen Revolution doch immer hinter der restlichen europäischen Entwicklung, und nahmen sich nur Vorbild an der italienischen, dann spanischen, anschließend französischen. Insofern ist das keine Polemik, sondern Fakt.

Welche EU Mittelmeerländer gibt es denn? Spanien, Italien, Frankreich, Slowenien und Griechenland. Ich gehe davon aus, dass du Frankreich - eins der größten Geberländer der EU (umgerechnete Belastung pro Bürger für die EU liegt dort bei 288 Euro, in Deutschland liegt diese bei 259, in Italien bei 244) - wohl außen vor lässt. Der slowenische Zugang zur Küste mit Koper (bzw. Capodistria) ist wirklich nicht nenneswert, um es als Mittelmeerland zu qualifizieren, Griechenland habe ich oben nicht erwähnt, da es größtenteils osmanisch, venezianisch oder genuesisch besetzt war in der Zeit, mit einem kümmerlichen byzantinischen Restimperium. Also scheinst du auf Italien und Spanien abzuzielen.

Das BIP pro Einwohner in der Lombardei (wo ich lebe) erreicht - ausgedrückt in Kaufkraftstandards - einen Indexwert von 141,5. Der Veneto erreicht 123.6, ist aber von der Population nur ein Drittel so groß. In den nördlichen Regionen Italiens liegt der Durchschnitt etwa bei diesen Werten. Stark ist zudem Latium (mit der Hauptstadt Rom).
Zum Vergleich: Bayern, welches von der Population (nicht von der Landfläche) her in etwa so groß wie die Lombardei ist, und als stärkste deutsche Region gilt, erreicht einen Wert von 135,6.

Insofern geht das Geld der EU (so, wie das der nördlichen Bewohner Italiens) in den sog. "Mezzogiorno", also Süditalien und Sizilien. Im Übrigen bezahlen "wir" im Norden auch EU-Projekte in Ostdeutschland. Insofern wird unser Topf ebenfalls geleert, sowohl in den Entwicklungsregionen des eigenen, wie auch denen anderer EU-Regionen (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung). Das bedeutet, dass Norditalien sehr wohl Geber ist, und Süditalien Nehmer, so, wie in Deutschland der Westen Geber, und der Osten Nehmer ist. Insgesamt hält sich das die Waage, da der Norden Italiens wirtschaftlich stärker ist als die alten Bundesländer Deutschlands, so ungern das gehört wird. Insofern schließe ich auch aus, dass du Italien meinst.

Kommen wir zu Spanien. Da weiß ich nicht viel drüber. Aber ich finde 3,8% Wirtschaftswachstum ziemlich beachtlich, und glaube nicht, das dieses Land noch lange mehr bekommt als es nimmt, wenn es so weiter geht mit der Entwicklung.
Spanische Wirtschaft laut Auswärtigem Amt

Deine Verteidigung mit der Gegenwart steht demnach auf ziemlich wackligen Füßen, was die deutsche Kohle angeht, weil die ebenfalls in den Topf einbezahlen. Das ist keine Polemik, du kannst es ja nachlesen.
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Excalibur3

R.I.P treuer Freund

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5

Montag, 25. August 2008, 13:54

. . . hi,

zum Thema "€" - wäre dies interessant sich mal anzuschauen - http://www.secret.tv/artikel4939198/Der_…luch_oder_Segen -

Den Link und weiteres könnt ihr hier auch im Thema von W-O-D nachlesen - Die Eurolüge, eine wahre Geschichte -

Zum Thema Mittelalter - jo, es ist immer eine Betrachtungsweise aus welchem land man es sieht - http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter - dort auch der Absatz: Zeitliche Einordnung

Da das Spiel hier in Deutschland gemacht wurde und eben auch aus dessen Sicht gesehen wurde, liegt man mit dem Mittelalter bei 1404 wohl nicht ganz verkehrt.

Man könnte sich nun fragen - was spielen wir bei 1404??? Wer sind wir eigentlich??? Das wir Italiener spielen, glaube ich wohl weniger ;) (achtung, nicht so ernst gemeint)

Das natürlich so einige sachen in so einem spiel nicht ganz korrekt, sagen wir mal, sind sollte doch wohl jedem klar sein - und ganz falsch liegen sie wohl nicht - ich sehe keine Dampfschiffe und es laufen auch keine Keulenträger herum ;) :D - also seht das doch mal ein wenig lockerer - ich tus jeden Falls . . .

Larnak

Schatzjäger

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6

Montag, 25. August 2008, 14:29

Scipio, du bist schon wieder OT :P

Und egal, ob Deutschland nun heute viel gibt oder nicht, Tatsache ist, dass das, was heute Deutschland ist, eine ziemlich lange Zeit in der Vergangenheit hinter anderen Regionen der Welt weit zurück lag.
Und das sprichwörtlich düstere/dunkle/finstere Mittelalter gehört sicherlich dazu, sodass es wohl nicht schwer fällt zu glauben, dass eben dieser historisch wohl eher negativ konnotierte Begriff ungern für schon fortschrittlichere Regionen Europas benutzt wird, was eben dazu führt, dass das Mittelalter in den deutschen Regionen länger andauerte, als in anderen Bereichen.

Zumal das Mittelalter ja für Historiker nicht nur eine Zeit, sondern eben auch eine kulturelle Entwicklungsstufe beschreibt, die ganz einfach in anderen Regionen früher geendet hat, als "bei uns" :heul: ;)


Allerdings kommt die Einordnung von ANNO 1404 darauf an, was man im Spiel spielen wird, sprich welche Architektur und was für Technologien zur Verfügung stehen. Danach wird man dann sehen können, ob das eher ein "deutsches" 1404 oder ein anderes, fortschrittlicheres 1404 ist.
Und Scipio wird das sicher gern für uns analysieren :D

PS: Scipio, warum weißt du eigentlich so viel? Das ist ja direkt unheimlich. :o

der herrscher

Insel-Eroberer

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7

Montag, 25. August 2008, 16:00

polemisch sind folgende formulierungen:

Zitat

Das sagst du, weil du Deutscher bist, und ihr nördlich der Alpen eh immer zurückgeblieben ward


du weißt ja so viel, da kannst du das da oben sicher als polemik identifizieren. oder als rassismus, ganz wie es dir gefällt. uupsi-duupsi, ich glaube das war jetzt auch polemisch. du kommst damit aber sicher klar, scheint ja dein stil zu sein. also mach ich einfach mal so weiter, ist für mich ja auch lusitg, nöööm?

ich wollte lediglich die lange vergangen errungenschaften von ländern relativieren, die in den letzten 50 jahren mehr regierungen als weihnachtsfeste hatten. sogar die mongolen hatten mal ihre zeit, aber die sind heute auch nicht beim G8 Gipfel eingeladen.

also spar uns die lobreden, ich habe hier auch nur geschrieben, was ich in der schule gelernt hatte. meiner meinung nach (und da tat sich spanien als besonders rückständig hervor) endete das mittelalter erst, als endlich der einfluß der kirche auf das staatliche leben endete. in der zeit als du schon lange die neuzeit postulierst haben die spanier noch lange, lange, lange mit stumpfen metallpfosten die hälse ungläubiger südamerikaner durchbohrt und der rest von europa hat hexen verbrannt. die wahre wende kam mit der aufklärung und dem bewußtsein, sich nicht von einer angeblich höheren institution (sei es der absolutistische staat oder die absolutistische kirche oder ein noch schrecklicheres gemisch aus beidem) mißbrauchen lassen zu müssen.

nebenbei möchte ich sagen, dass ich nichts gegen gläubige christen habe, bin ja selbst halbherzig dazu erzogen worden. nur die taten der kirche hatten mit glauben, nächstenliebe oder vergebung nichts zu tun und ließen das mittelalter erst viel später als 1404 enden. auch wenn die venezianer schon tolle häfen gebaut haben (mit kroatischem holz, weshalb dalmatien jetzt so hübsch kahlgeschlagen ist) und vielleicht hatten sie auch den zaubertrank, im kopf waren sie so tief im mittelalter wie alle anderen europäischen staatsgebilde dieser zeit.
  ich kann aufhören wann immer ich will

Scipio Maior

Vollmatrose

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8

Mittwoch, 27. August 2008, 23:30

Zitat

Original von Excalibur3
Man könnte sich nun fragen - was spielen wir bei 1404??? Wer sind wir eigentlich??? Das wir Italiener spielen, glaube ich wohl weniger ;) (achtung, nicht so ernst gemeint)


ich weiß, dass es nicht ernst gemeint ist, da dies aber der Mittelalter/Neuzeit-Fred ist, kann ich mich ja mal auslassen und mal durchspielen

Zumindest weiß ich von keinen deutschen Orienthändlern im Mittelalter, da das Monopol für den Handel in der Levante/Kleinasien/Ägypten/Schwarzes Meer abwechselnd bei Amalfi, Pisa, Genua und Venedig lag (grob in einem Zeitraum zwischen 1000 und 1500. Danach fast völlig bei Venedig, aber da verlor diese Einnahmequelle aufgrund der Entdeckungen von Kolumbus und da Gama an Wichtigkeit).

Es gab zwar die mächtige Hanse in Norddeutschland, aber die blieb doch eher in der Nord- und Ostsee. Gewürze und Co kamen durch genuesische (besonders diese) und venezianische (in der Minderheit) Händler nach Flandern. Die Mehrzahl genuesischer Händler ist übrigens damit zu erklären, dass die Ligurer stets freundlich mit den spanischen Reichen und Frankreich verkehrten, weshalb genuesische Schiffe an Iberien und der frz. Atlantikküste vorbei bis in die Niederlanden vorstoßen konnten. Brügge und Antwerpen waren die wichtigsten Umschlagsplätze (wer Patrizier gespielt hat, weiß das, weil da bekommt man als Hanseat die Gewürze :D).
Ende des 15. Jahrhunderts stieg dieser Handel sogar rapide an, als Kastilien und Aragon sich zum spanischen Nationalstaat vereinigten, und die spanische Krone sich durch dynastische Verbindung (Heirat der spanischen Thronfolger mit den habsburgischen) mit der österreichischen verband. Zu den österreichischen Erblanden gehörten damals auch das Breisgau, sowie die heutigen Beneluxstaaten. Karl V., der Kaiser, in dessem Reich die Sonne niemals unterging, regierte also über zwei Passierstaaten der Genuesen - und da er ein Freund derselben war (Genua zahlte kräftig Kredit, Unterstützung des Kaisers durch Andrea Doria gegen Franz I. von Frankreich) war der Handel um so einfacher.

Der zweite Weg der Orientwaren nach Deutschland erfolgte aktiv durch deutsche Händler, welche nach Venedig reisten, und dort einkauften. Die reichsten Handelsstädte der damaligen Zeit lagen nicht umsonst im Süden Deutschlands (Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Ulm, Straßburg) und an Flüssen (Köln, Frankfurt) welche sie schnellstmöglich mit Italien verbanden. Leipzig und Hannover spielten durchaus ebenfalls eine Rolle, aber nicht annähernd jene der Hafenstädte des Nordens oder der eben genannten. So ist es auch kein Wunder, dass Dynastien wie die Fugger und Welser besonders im Süden ansässig waren (beide aus Augsburg, wenn auch die Welser ihre Geschäfte immer mehr nach Nürnberg verlagerten).*

Zurück zum Handel. Beim ersten genannten Weg machten die Genueser Profit, beim zweiten die Venezianer: kam ein Angehöriger des deutschen Teiles des HRR nach Venedig, so wurde er ohne Umschweife in das Kontor der Deutschen (Fondaco dei Tedeschi (hier ein Bild) gebracht. Er war dort quasi "eingesperrt", und durfte nur unter seinesgleichen weilen. Venezianer konnten mit Deutschen handeln, wann sie wollten, aber nicht umgekehrt. So erhielten sich die Lagunenbewohner ihre Privilegien und Vorteile.

Demnach hat kein Deutscher selbst ein Schiff in den Orient geschickt, oder selbst im klassischen Sinne Orienthandel getrieben.

Das ganze Spiel endete dann Ende des 15. Jahrhunderts mit der Entdeckung des direkten Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama (1498 ). Ab diesem Zeitpunkt driftete das ehemalige Gewürzmonopol der ital. Seerepubliken an die Portugiesen ab, welche sehr geschickt und äußerst raffiniert dieses nutzten. Man muss Portugal zugestehen, als kleine, militärisch schwache Macht fast Übermenschliches geleistet zu haben, als Beispiel der Kampf von ein paar hundert portugiesischen Streitern gegen den mächtigen Santorin von Calicut mit seinen tausenden Männern. Nach diesen Kämpfen sicherten sich die Portugiesen Goa als wichtigsten Handelsposten in Indien, und transportierten ihre Güter in feiner Regelmäßigkeit über die Kolonien und Stützpunkte in Mosambik, Fernando Po und den Kapverden nach Portugal zurück.

Etwa um 1530 spielten Venedig und Genua kaum noch eine Rolle im Gewürzhandel. Natürlich kam dieser nicht zum Erliegen; aber die Gewürze aus Portugal waren billiger und erschwinglicher geworden, weshalb der italienische Zwischenhandel über Ägypten und die Levante an Profitabilität verlor. Als 1517 eben diese Gebiete wie Konstantinopel 60 Jahre zuvor an die Osmanen fielen, verschlechterte sich die Lage weiter, da die Türken höhere Ausfuhrzölle verlangten, und versuchten, sich selbst das Monopol anzueignen und selbst den Orienthandel zu kontrollieren.

Portugal war im 16. Jahrhundert vielleicht nicht das stärkste, aber mit Sicherheit eines der reichsten Länder der Erde, Zeugnis ist bis heute der emanuelische Stil in Lissabon (zumindest das, was davon nach dem verheerenden Erdbeben übrig ist).

Nach dem Tod des letzten portugiesischen Königs 1580 kommt Portugal an Spanien. Das portugiesische Kolonialreich wird mit dem spanischen zusammengelegt. Von da an dominieren die Spanier den Orienthandel, bis Niederländer und Engländer ihnen in die Quere kommen.

Aber das ist jetzt bereits ein Bereich der Geschichte, der extrem weit weg ist von 1404 und 1503, und eher an 1602 erinnert (war der Freie Händler dort nicht angeblich ein Niederländer? Würde passen, war ja das Gründungsdatum der Ostindischen Kampagne der Generalstaaten).

Fazit: Keine Deutschen.


@Larnak Jetzt mach mich nicht verlegen :rotw:, ich weiß das ein oder andere, bei den Zahlen musste ich aber tatsächlich nochmal nachschauen, ob sie aktuell sind (tatsächlich ändert sich das von Jahr zu Jahr, dass aber die Lombardei eine der reichsten Regionen des EU-Raums ist, und Bayern oder andere deutsche Bundesländer mit Abstand überflügelt, war mir durchaus bewusst).
Dafür kann ich eben nicht mit dem Editor umgehen, habe von Integralrechnung und höherer Mathematik kaum Ahnung und empfinde atonale Musik aufgrund mangelnder Kenntnis einfach nur als furchtbar und abstoßend. So wiegt sich alles wieder auf ;) :D :)

@Herrscher: Antwort kommt morgen, versprochen, bin jetzt leider was zu müde, um ganz darauf einzugehen. :)

--------------------------
*In diesem Zusammenhang ein deutsches Sprichwort aus der Renaissance, wahrscheinlich der goldenen Zeit des sog. "Frühkapitalismus":

Hätt’ ich Venedigs Macht,
und Augsburgs Pracht,
Nürnbergs Witz
und Straßburger Geschütz
und Ulmers Geld,
so wär’ ich der Reichste auf der Welt!
  Palatina la caduta. Weil Forenrollenspiele dem Untergang geweiht sind.

W-O-D

Team AnnoZone

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9

Donnerstag, 28. August 2008, 09:58

Hmm, ich weis nich warum da nun auf historisch korrektes gesetzt wird,
Anno hatte nie den Anspruch korrekt zu sein was das Zeitalter betrifft.
Das vom grafischen her ein Mittelaltersetting genommen wurde hat halt den Charakter des Spiels geprägt,
warum also diesen ändern, spätestens dann wäre es kein Anno mehr.

Wenn sich mal wirklich wer daranmachen sollte ein historisch korrektes Anno zu schaffen, dann bitte im Stil von Historyline 1914-1918, samt den detailierten ausführlichen Handbüchern.
Dieses Game kam von Blue Byte, und war was die Korrektheit anlangt etwas ganz besonderes, sowas wird heute nichtmehr hergestellt, leider. :(

Scipio Maior

Vollmatrose

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10

Donnerstag, 28. August 2008, 20:27

Zitat

Original von W-O-D
Hmm, ich weis nich warum da nun auf historisch korrektes gesetzt wird,
Anno hatte nie den Anspruch korrekt zu sein was das Zeitalter betrifft.
Das vom grafischen her ein Mittelaltersetting genommen wurde hat halt den Charakter des Spiels geprägt,
warum also diesen ändern, spätestens dann wäre es kein Anno mehr.

Wenn sich mal wirklich wer daranmachen sollte ein historisch korrektes Anno zu schaffen, dann bitte im Stil von Historyline 1914-1918, samt den detailierten ausführlichen Handbüchern.
Dieses Game kam von Blue Byte, und war was die Korrektheit anlangt etwas ganz besonderes, sowas wird heute nichtmehr hergestellt, leider. :(


Es geht ja nicht schlichtweg um historische Korrektheit. Eigentlich fand ich den Thread ganz schön, um einfach mal etwas über den Hintergrund an sich zusammenzubringen, wie es war, also eher ein gemeiner Geschichtsthread, ohne, dass jetzt unbedingt das ganz klar am Spielkonzept nah dran sein muss. Einfach mal was fabulieren und austauschen.

Ich habe mir eben nur den Spaß gemacht, und einfach mal Excalis Gedanken weitergeführt. Ich sehe das hiereben als allgemeinen Thread, um was auszutauschen. Und wenn mehr bekannt ist über 1404 könte man das auch hier besprechen. :)

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@herrscherschatzi

Dein erster Quote, von wegen Polemik... es ist keine Polemik, sondern eben nur hart und klar ausformuliert. Die Deutschen lebten etwa bis zur Industriellen Revolution mitsamt Osteuropa (wenn dieses jedoch immer noch einen Schritt zurück war, Russland zum Beispiel lebte ja geradezu vom Import deutscher Prinzessinnen, welche die Neuerungen ins Zarenreich brachten) eben hinterm Mond, vom Schlag der Zeit Rest-Westeuropas und davor vom Mittelmeerraum entfernt. Und da man zuerst seine eigene Situation an die ganze Welt anlegt, entsteht das Bild, woanders wäre es ebenfalls so gewesen.

Ich kanns natürlich auch so in Watte gepackt ausformulieren. Aber die direkte Art ist mir in der Geschichte lieber, damit man weiß wo man ist. Die deutschen Staaten des HRRDN waren zurück. Ende. Das kann man einfach nicht beschönigen. Alles andere ist eben Balsam.

Ist ein Unterschied wie zwischen "kriminelle Ausländer" und "Menschen mit Migrationshintergrund die mit der Staatsgewalt in Berührung kommen". Das eine hübsch flauschig, das andere nicht. Für mich trifft aber die eine Bezeichnung eben besser. Wortwahl, keine Polemik.

Im Übrigen fände ich Rassismus etwas fehl am Platz, weil ich im Gegensatz zu dir Deutscher bin. Ich weiß dennoch, was war und was nicht. Das einzige, was an deiner Ausführung polemisch war, war dein Stil ala "du weißt ja so viel", welches nichts zur Diskussion als solcher beiträgt, im Gegensatz zu meiner Einlassung.

Aber ich finde es hingegen sehr interessant, dass du, welcher ja eigentlich nur auf die heutige Situation Stellung nehmen wolltest, plötzlich mit den verschiedenen Regierungen in den letzten 50 Jahren kommst. Anscheinend zielst du also wirklich auf Italien ab, besonders, wenn ich das mit der "Lobhudelei" höre. Anscheinend fühlst du dich beleidigt, weil ich auf Umstände aufmerksam mache, die eben so waren.

Ich kann leider nichts dafür, dass die Gebiete zwischen Maas und Memel (bzw. heute Maas und Oder/Neiße) dem Rest nachtickten. Willst du mich jetzt dafür fertig machen?

Übrigens wurde in Spanien KEINE EINZIGE HEXE VERBRANNT! Wer hat dir so einen Wirrsinn erzählt? Die Katholische Kirche hat sich um Ketzer gekümmert (die Albigenser/Katharer in Südfrankreich, Savonarola, Kues, Hus, Luther, wie sie alle heißen), allein zu behaupten, es gäbe Hexen, war eine Ketzerei (und damit kamst du auf den Scheiterhaufen, wenn du von Hexen gelabert hast, und nicht, wenn du eine warst). Es wurden die von der Inquistion verfolgt, welche in ihre Zuständigkeit fielen: Christen.
In Spanien wurden daher vornehmlich Muslime und Juden verfolgt, welche sich taufen ließen, aber in Wirklichkeit ihrem alten Glauben nachhingen. Zwischen 1540 bis ins 18. Jahrhundert sind etwa 45.000 Inquisitionsprozesse in Spanien haarklein für die Nachwelt festgehalten worden, wobei nur 2% mit einer Verurteilung zum Tode endeten, das sind etwa 900 zum Tode Verurteilte in gut 250 Jahren! Das sind vier Verbrannte im Jahr, statistisch gesehen, insofern war eine Inquisition wirklich ein seltener Sonderfall und "Event", weniger Massenveranstaltung. Der größte Teil von ihnen waren konvertierte Juden und Muslime, sowie Gotteslästerer, aber keine Juden und Muslime (die nämlich aus Spanien bereits von Isabella und Ferdinand größtenteils ausgewiesen worden waren), und schon gar keine Hexen. Die Spanische Inquisition verurteilte jede Form des Hexenglaubens und verfolgte eher Leute, die mit so einem Geschwafel die Leute unruhig machten.

In Portugal, Italien und den weitesten Teilen Frankreichs, kurz, im Kern der katholischen europäischen Welt wurden keine Hexen verbrannt - eben, WEIL die katholische Kirche dort so straff und organisiert aufgebaut war, dass ein Mob nicht einfach mit den Mistgabeln eine angebliche Kräuterhexe durchs Dorf jagen und dann verbrennen konnte.

Der Hexenwahn ist ein typisches Phänomen Nordeuropas, wo die aufkeimende Reformation die Macht Roms zurückdrängte. Wo der Papst keinen Zugriff drauf hatte, da hatte auch die Inquisition keine Macht. Es ist bezeichnend, dass gerade die Reformatoren wie Calvin und Luther selbst an Hexen glaubten, und behaupteten, diese Leute wären mit dem Teufel im Pakt. Die Druckerpresse und die aufkommenden Zwistigkeiten verstreuten diese Ideen besonders in den Regionen des heutigen Deutschlands, Skandinaviens und Britanniens.

Die Propaganda, die blutige römische Kirche hätte Millionen (!) von Ketzern umgebracht und Hexen verfolgt, ist eine Ausgeburt genau jener Zeit, die du nennst: nämlich die der Aufklärung, als sich nämlich diese Philosophen signifikant vom staatlichen Kirchensystem trennen wollten, und mit allerlei abstrusen Statistiken beweisen wollten, wie dumm und töricht damals alle waren, und alles gesteuert von der Fuchtel in Rom (was geradezu abenteuerlich ist, da der großteil der Hexen von Dorfpöbel und ungebildeten Geistlichen ihrem Schicksal übergeben wurden, welche von den reformatorischen Schriften angehaucht waren, und welche weit weg von Rom dies auch konnten). Dies ist nicht das einzige Märchen des Mittelalters: die Aufklärung machte auch weiß, im Mittelalter hätte man an die Scheibe geglaubt. Schon in der Renaissance hatte man begonnen, sich vom Mittelalter zu unterscheiden, und absonderliche Beispiele der Dummheit aufgeführt - und sowohl bei der Renaissance, wie bei der Aufklärung gilt, dass man jeweils die eigene Epoche preisen wollte, die besser, toller und fortschrittlicher war. Wir sind da ja auch nicht anders, weil wir unsere Standards immer an die Vergangenheit legen.

Ich habe zu diesem Zweck mal gegoogelt, und einen schönen Artikel zur Hybris der jeweiligen "Moderne" gefunden: http://www.spiegel.de/wissenschaft/welta…,381627,00.html

Zurück zu den Hexen. Natürlich wird man jetzt einwenden "Ja, aber was war denn mit dem berühmten Hexenhammer? Maleus Maleficarum! Das war doch ein Dominikaner, Jakob Sprenger, der den geschrieben hat!"

Ja, Jakob Sprenger, der arme Kerl. Er war ein wirklich armes Schwein, um es mal so zu formulieren. Hochgebildet, sehr geachtet im Mittelalter/FN - und Opfer eines anderen Dominikaners, der seinen guten Namen missbrauchte, um sein eigenes Buch zu publizieren. Letzterer hieß Heinrich Krämer, welcher seinen Namen latinisierte, damit es sich besser anhörte: Henricus Institor.

Heinrich war genauso verblendet wie geldgierig. Sein Buch "Der Hexenhammer", welches zweifelhaften Ruhm als eines der meistgedruckten Bücher des 16. Jahrhunderts erlangte, wusste, dass er bestimmt keine große Auflage hätte mit seinem eigenen Namen. Also fügte er noch Sprenger hinzu, einen Namen mit Relevanz - das wäre in etwa so, als wenn ein Hobbykoch ein Buch über seine Kunst veröffentlichen will, und darauf schreibt "Mitschreiber: Lichter und Lafer". Das Ergebnis war dasselbe, Aufmerksamkeit und ein Bestseller, der bis ins hinterletzte ostpreußische Dorf und friesischen Deich kam.

Im Buch wird unter anderem geschildert, woran man erkennt, wer eine Hexe ist, was sie tut, wie sie einen verzaubern, und dass sowieso der Teufel die Welt beherrschte, mit geradezu paranoiden und wahnhaften Passagen - was reißenden Absatz fand. Heute liest ja auch niemand ein Sachbuch über Leonardo da Vinci und seine Malerei sondern kauft sich Dan Browns Sakrileg. Es ist dasselbe Spiel.

Und wie stand die Kirche dazu? Der Papst hatte es verpennt (in all den Kriegen die er nebenbei führte, Frankreich ist ja mal wieder dabei Italien zu überfallen, und die Türken stehen vor Otranto), das Buch vorzeitig zu verbieten, und als er es tat, war es schon so beliebt und die Nachfrage so groß, dass die Drucker das Risiko eingingen bestraft zu werden - der Profit war größer. Alles was Rang und Namen hatte in der Kirche verurteilte das Buch, aber im Volk war die Popularität dermaßen hoch, dass Kritik kaum aufgenommen wurde. Das Volk gab sich also lieber Henricus' Schauergeschichten hin, als die offiziellen römischen Lehrmeinung zu befolgen.

Insofern war Heinrichs Ansehen bei hohen Autoritäten nicht gerade groß. Dem Bischof von Brixen wollte er vorführen, wie er selbst eine Hexe fände, fange und verbrenne. Der Bischof war derart erbost über das Schauspiel, dass er den Fantaiker verjagte, bevor das Feuer entzündet wurde, und Heinrich auf ewig den Zugang in sein Bistum verbat.

Du siehst also, dass dein Bild über das Mittelalter/Renaissance in dieser Hinsicht wiederum falsch korreliert. Es war zwar zurück, aber nicht dumm.

Im Übrigen war es die Katholische Kirche, welche den Südamerikanern ihr Leben rettete. Las Casas. Sagt dir das was? Die Indios sind Gottes Kinder. Es war der spanische Staat, der die Indios als billige Arbeitskräfte ausbeutete, und es waren vor allem Dominikaner und Jesuiten, welche ihr Leben bewahrten,wenn eben auch nur mit vorangegangener Taufe. Junge Junge, es wäre in dieser Hinsicht besser gewesen, die Kirche hätte das Machtmonopol gehabt, nicht der Staat! Letzterer war es im Übrigen, welcher die Todesurteile bei Hexerei verhängte (weil eben für die (römische) Kirche dieser Tatbestand gar nicht vorhanden war), letzterer hat das Gold ausgebeutet und die Nachkommen von Atahualpa in den Minen schuften lassen, und die Menschen wie Dreck behandelt! Bitte informiere dich bei diesem Thema, wenn es um Staat und Kirche in der Geschichte geht, besonders in Südamerika sind bis heute die Menschen froh, dass es die Kirche GAB (denkst du, die haben den Papst in Brasilien so bejubelt, weil er Verhütung verbietet?). Das Thema kann ich hier allerdings nicht so schnell abhandeln wie die Hexen, ich habe noch ein Privatleben, nur, die Jesuiten und Dominikaner haben mit ihren Aktionen bestimt 1000mal soviele Menschen gerettet wie bei allen Inquisitionen umkamen, um es mal zu überspitzen. Die Befreiungstheologie des 20. Jahrhunderts sieht übrigens ihr Vorbild bei diesen Männern und beruft sich auf sie.

Die meisten Aktionen der Spanier gegen die Indios war im Übrigen vom Königshaus ebenso wenig gewollt wie von der Kirche. Wenn es nach dem "Absolutisten" 100% gegangen wäre (in dem Falle Karl V. und Phillip II.) dann sähe einiges anders aus. Stichwort: Philipp und seine Angst vor dem Tod, weil er sich vor dem Angesicht der unzähligen Indios fürchtete, die seine korrupten Untergebenen umgebracht und gedemütigt hatten. Denkst du denn ernsthaft, so ein Weltreich wie Spanien, dass Süd-, Mittelamerika, in späteren Zeiten sogar noch Teile Afrikas und Indiens besaß, wirklich in der Lage war, auch im hinterletzten Urwald nachzuschauen,was einige Bauerntölpel aus der Extramadura am anderen Ende der Welt machen? Das kann selbst heute kein Staat.

Zu den Venezianern gibts einen eigenen Post, anscheinand redest du da auch, ohne zu recherchieren. Das ist im Übrigen genau der Grund, warum ich soviel schreibe: wie du oben liest, ist alles, was ich hier mache, eine Richtigstellung. Du kannst sicherlich nichts dafür, dass du es nicht besser weißt, musst du auch nicht. Aber größtenteils ist es irgendein Wischiwaschi von gerade DEN Aufklärern, die das Mittelalter schlecht machten, damit sie sich selbst erhöhen konnten. Nur, ich höre auch keinem Nazi zu, wenn er über den Krieg erzählt, oder?

Zu Venedig schon einmal das: welche Seefahrernation hat nicht ihren Wald gerodet (Spanien, Antikes Griechenland/Phönizien)? Schiffe baut(e) man eben aus Holz. Wenn du von Raubbau sprichst, den gibt es heutzutage in den Urwäldern noch genug, somit sind wir nicht besser als die Venezianer, Griechen, Phönizier und Spanier...
  Palatina la caduta. Weil Forenrollenspiele dem Untergang geweiht sind.

der herrscher

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Donnerstag, 28. August 2008, 23:47

na ich hoffe du nimmst mir nicht übel, dass meine antwort etwas kürzer ausfallen wird. auch ich habe manchmal ein privatleben und das hat mir heute schon etwas auf den geist geschlagen. des weiteren bin ich mit kosenamen nicht so bewandert, also habe ich leider nichts adäquates parat....scipiobärli vielleicht?

ich bleibe trotz deiner wortschwaden bei meiner behauptung von polemik, streite jedoch nicht ab diese selbst zu benutzen. ich bin kein deutscher, richtig, aber ein chauvinismus dieser art hat ja schließlich auch zu einigen unschönen dingen in europa geführt. auch andere völker hatten (vor nicht allzu langer zeit) mal die ansicht, alle anderen wären zurückgeblieben oder unterlegen. deine art dinge direkt zu formulieren stört mich übrigens nicht im geringsten, im gegenteil, sie ist der hautpgrund warum ich mich auf diese diskussion überhaupt einlasse. mit analküssern habe ich wenig am hut, ich finde polarisierende aussagen viel interessanter. soviel mal zum ersten abschnitt.

zu deinen rührenden aussagen über die kirche kann ich mich nur wundern. und den aufklärern hier propaganda zu unterstellen ist geradezu lachhaft. hätte es diese bewegung nicht gegeben könntest du heute hier gar nicht als freier mensch deine gedanken ausformulieren. du würdest ängstlich in der ecke sitzen und hoffen, dass du genug ablaß gezahlt hast um in den himmel zu kommen. oder du wärst leibeigener von irgendeinem degenerierten habsburger. du kennst dich mit geschichte so gut aus, dass du jene bereiche herausnimmst, die für deine argumentation passen. jeder gute historiker kann das. der grund ist einfach: es gab in der geschichte einfach schon alles, man findet immer das, was gerade paßt! dann kann ich als geschichtlich wenig bewandter davon ausgehen, dass die spanische kirche in südamerika nicht tausende eingebohrene abgeschlachtet hat weil sie nicht zum christentum konvertieren wollten? kann ich meine geschichtliche bildung soweit ändern, dass die bösen dinge immer vom staat ausgingen und die kirche sogar noch mildernden einfluß nahm? die kirche war also nicht nur ein instrument der macht, um die masse dumm und unwissend zu halten und in teilweise kreativen geflechten von staat und kirche die bestehende ordnung auch mit blut zu verteidigen? der papst (jeder papst?) war ein ahnungsloser hampelmann, der doch eigentlich eh nur das beste für jeden wollte? die kirche war keine perversion der gedanken von jesus, brachte allen menschen nächstenliebe und verständnis? und alle christen waren damals so von der barmherzigkeit dieser institution überzeugt, dass sie ohne zwang und androhung auf folter und mord blind jedem geistlichen folgten? und diese netten jesuiten...wir retten dich schon junge, aber ohne taufe? na schau mal wo du bleibst.

ich denke das heißt ohne kirche hätte es gar nicht so weit kommen können, dass wir heute alle sagen und schreiben dürfen, was wir wollen? interessant. für mich war die kirche immer ein instrument der zensur und der erfolgreiche versuch, ein geistiges monopol zu bilden. sie war der begriff für die dummheit des menschen, sich wegen angst oder respekt vor höheren dingen anderen menschen, die das prinzip der furcht verstanden hatten, völlig zu unterwerfen. (--> siehe usa heute) und sie war das beste mittel, um absolutistische staatssysteme möglichst lange am leben zu halten. sie unterdrückte freie gedanken und hielt die menschen damit geistig viel länger im mittelalter gefangen als nötig gewesen wäre. schon die alten griechen hatten (wenn man vom umstand absieht, dass sklaven nicht als menschen zählten) höhere ethische standards als die meisten länder europas 2500 jahre später im mittelalter. von den demokratischen will ich gar nicht sprechen, oder den bildungsstandards.

du kannst aber ruhig weiter in endlosen referaten argumente zusammensuchen die zu deiner these der überlegenen südlichen seefahrervölker passen. mit vielen worten den blick auf das eigentliche verdecken ist ja das, was sophisten immer schon getan haben. ich will es also noch einmal freischaufeln, damit wir kurz auf die aussage unter all dem blicken können, bevor du sie wieder mit zitaten und gerade gut passenden beispielen aus deinem (tatsächlich ausgesprochen beeindruckenden) speicher zuschüttest: hätten wir uns nicht erst von der last und der verblendung der kirchlichen einflüsse befreien müssen, würden wir heute schon zum mars fliegen und krebs mit aspirin heilen. denn die neuzeit hätte dann tatsächlich schon früher begonnen. viel früher als du behauptest noch.

Zitat

Wenn du von Raubbau sprichst, den gibt es heutzutage in den Urwäldern noch genug, somit sind wir nicht besser als die Venezianer, Griechen, Phönizier und Spanier...


ja, es ist immer gut so zu argumentieren. machen wir doch einfach weiter wie bisher! recht hast du mit der aussage trotzdem...

Zitat

Das einzige, was an deiner Ausführung polemisch war, war dein Stil ala "du weißt ja so viel", welches nichts zur Diskussion als solcher beiträgt, im Gegensatz zu meiner Einlassung.


ich will jetzt nicht anfangen aus deinem text teile herauszusuchen, die ganz genau diese definition von polemik erfüllen. ich will jetzt gar nicht mehr, ich gähne schon nur noch vor mich hin. ich laß mal platz für eine heftige erwiderung und setze das nach meinem urlaub fort.

geruhsame nacht!
  ich kann aufhören wann immer ich will

Larnak

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12

Freitag, 29. August 2008, 00:23

Zitat

Original von der herrscher
und den aufklärern hier propaganda zu unterstellen ist geradezu lachhaft.


Nichts für ungut, aber was war denn das bitte sonst? Ein versehentliches vertauschen der Wahrheit? Da ist eine Propaganda aber wesentlich wahrscheinlicher :)

Und trotzdem die Aufklärer oder einige davon das Mittelalter schlechter gemacht haben, als es war, bestreitet ja keiner, dass sie wichtige Dinge geleistet haben, von daher musst du niemandem erklären, wo er denn wäre, wenn es die Aufklärer nicht gegeben hätte. Zwischen deinen zwei Sätzen besteht kein logischer Zusammenhang, oder übersehe ich da etwas?

Und dass die Kirche immer toll war, sagt Scipio auch nicht, nur, dass sie keine Hexen verbrannt hat und teilweise Indianer gerettet haben soll, sowie, dass die Hauptverbrechen der Spanier von weltlichen Mächten ausging, auf die die Kirche keinen ausreichenden Einfluss gehabt haben soll
Dass sie zumindest anfangs keine Hexen verbrannte, weil sie nicht an deren Existenz glaubte, dürfte nach meinem bescheidenen Wissen wahr sein, der Rest entzieht sich meiner Kenntnis, ich möchte darüber hier auch nicht spekulieren :)
Und nur, weil man nicht an Hexen glaubt und die Erde für keine Scheibe hält, heißt das ja nicht, dass man freie Meinungsbildung oder Demokratie fördert, oder?

Auf jeden Fall ist das in Scipios Post unabhängig von Ablasshandel und anderen Maßnahmen der Kirche.
Und das:

Zitat

Original von der herrscher
ich denke das heißt ohne kirche hätte es gar nicht so weit kommen können, dass wir heute alle sagen und schreiben dürfen, was wir wollen? interessant.

hast du dir auch dazuerfunden, so eine Meinung ist in Scipios Post in keiner Weise enthalten.
Nochmal: Er sagt NUR, dass die Kirche KEINE Hexen verbrannt hat und einige Indianer vor dem Tod rettete, indem sie sie bekehrte. Das steht in keinem Widerspruch zu deiner Behauptung, die Kirche stünde nur für Zensur und geistige Monopolbildung.

(Ich will mich zu dem Wahrheitsgehalt dieser These hier nicht äußern, sondern nur zeigen, dass sie nicht im Widerspruch zu den Inhalten in Scipios Post steht und somit nicht unbedingt als Erwiderung taugt :) )

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Larnak« (29. August 2008, 00:26)


Scipio Maior

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Freitag, 29. August 2008, 00:26

Zitat

Original von der herrscher
nebenbei möchte ich sagen, dass ich nichts gegen gläubige christen habe, bin ja selbst halbherzig dazu erzogen worden. nur die taten der kirche hatten mit glauben, nächstenliebe oder vergebung nichts zu tun und ließen das mittelalter erst viel später als 1404 enden. auch wenn die venezianer schon tolle häfen gebaut haben (mit kroatischem holz, weshalb dalmatien jetzt so hübsch kahlgeschlagen ist) und vielleicht hatten sie auch den zaubertrank, im kopf waren sie so tief im mittelalter wie alle anderen europäischen staatsgebilde dieser zeit.


Zuerst einmal Folgendes: Venedig hatte einen starken Staat. Die Venezianer konnten ihren Patriarchen (wie ein Erzbischof, nur prestigeträchtiger und der katholischen hierarchie eins höher) selbst einsetzen. Der Wahlspruch der Venezianer lautete:

"Prima venessian', doppo cristian'!"
"Zuerst sind wir Venezianer, dann Christen!"


Venedig ist seit seiner Gründung von Querelen mit dem Papst geprägt, eben weil die Venezianer sich von niemanden vorschreiben lassen wollten (auch nicht vom Papst in Rom) wer in IHRER REPUBLIK die Geistlichen einsetzt. Da Venedig als einziges Territorium Italiens niemals Teil des HRRDN war, gab es auch keinen Kaiser, auf dessen Seite sich die Adligen stellen wollten, wie es in anderen Städten Italiens so war, und den Venezianern nichts wichtiger war als ihre Unabhängigkeit.

Folge des Strebens nach einem starken Staat, in welchem die Venezianer "unter sich" waren, war die Herausbildung eines Gebildes "vor-laizistischen" Charakters. Laizistisch insofern, dass die Kirche bestimmt wurde von der Signoria, denn diese setzten die Geistlichen ein - somit hatte der Staat Einfluss auf die (lokale) Kirche, viele Verfügungen Roms wurden einfach übergangen, nicht beachtet, manches sogar mit Hohn und Spott zurück in die Kurie geschickt, besonders, wenn durch irgendwelche Kreuzzugsgebaren der Handel mit Ägypten und der Levante hätte gestört werden können. Das Verhältnis zwischen Rom und Venedig ist eines der interessantesten ganz Europas, war stets gespannt, und bis heute gibt es eigene Seminare, die sich mit diesem Thema befassen.

Halten wir nur fest, um dir zu widersprechen: in Venedig hatte Rom so gut wie nichts zu sagen. Dafür wurde die Republik auch merhfach mit dem Kirchenbann bestraft, Kriege wurden geführt, und es gab Konflikte um Stellenbestzungen, sowohl geistliche wie auch weltliche (Beispiel: Galileo Galilei, der Dozent in Padua war, von den Venezianern aber nicht ausgeliefert wurde - dem Tribunal musste er sich erst stellen, als er seinen Sitz nach Florenz verlegte, weil er bei den Medici mehr Lohn erhielt. Es gibt natürlich auch das negative Beispiel, Giordano Bruno, der nach Venedig flüchtete, und glaubte dort sicher zu sein. Er wurde jedoch ausgeliefert - aber eher aus Staatsinteressen heraus, weil Venedig damals im Krieg mit den Osmanen lag, und keinen Ärger mit Rom riskieren wollte.)
Inquisition gab es keine. Minderheiten, wie orthodoxe Griechen, sunnitische Türken, spanische Juden, armenische Monophysiten und persische Schiiten konnten frei ihren Glauben ausüben. Die wurden zwar in eigene Viertel/Kontore gesperrt, aber das war üblich so (das Fondaco dei Tedeschi war in gewisser Weise das "deutsche Viertel"), und die Sondersteuer betraf alle Nicht-Venezianer, da die Stadt aus allen Nähten platzte, Baugrund in der Lagune spärlich war, und man es als Soll der Fremden betrachtete, dass man mehr zu bezahlen hatte, wenn man anderen den Platz wegnahm - außerdem reden wir hier von einem Handelsvolk, wo man Profit machen kann, macht man Profit.

Soweit mal zum Religiösen/Kirchlichen Einfluss. Verglichen mit anderen Gebilden Europas war das unsagbar modern.

Das Holz wurde im Übrigen nicht für Häfen gebraucht. Sondern als Schiffsmaterial und Grundstock für die Häuser und Palazzi. Dalmatinisches Holz war berühmt für seine Härte - insofern zogen die Venezianer dieses dem auf dem Festland des Veneto, Friaul und der östlichen Lombardei vor. Abgesehen davon war Istrien zu der Zeit noch hauptsächlich venetisch geprägt, gehörte seit etwa 900 zur Republik bis zum Untergang 1797, und war mehrheitlich bis ins Jahr 1946 von "Italienern" (besser: Veneto-Istriern) bewohnt. Dalmatien gehörte ab etwa 1000 zu Venedig (mit den wichtigen Städten Spalato/Split, Zara/Zadar und Ragusa/Dubrovnik), wovon nur Ragusa verloren ging, welches später selbst eine Handelsrepublik nach venezianischem Vorbild wurde. Die Städte des venezianischen Dalmatiens wurden extrem reich als Zwischenstation zwischen Orient und Lagune, dazu kam der Holzexport. Ich glaube, diese ganze Rodung war für die dort lebenden Schiavoni (so nannten die Venezianer die slawischen Kroaten, im Gegensatz zu den romanischen Dalmazi) von großem Vorteil, und weniger mittelalterliches Denken, als profitorientiert. Ist natürlich schade, das mit dem Karst heute, aber Griechenland war vor 2500 Jahren ein dicht bewaldetes Gebiet, bevor die Perser kamen, Marathon, Salamis und Co. folgten, und der attisch-delische Seebund seine Riesenflotte heranzüchtete. Was willst du mir eigentlich genau mit dem Einschub sagen? Dass die Venezianer die Kroaten ihres Holzes beraubt hätten? Erklärs mir mal bitte ausführlicher. Wie gesagt, Raubbau ist heute noch viel schlimmer als damals, da müssten wir ja Neanderthaler sein... und wenn du den Venezianer vorwirfst, sie hätten besser handeln sollen, mein Gott, dann verlangst du von Leuten, die vor uns lebten, mehr als von uns selbst heute. Ich glaube, das passt in keiner Weise zusammen, oder?

Und jetzt mal ganz allgemein zur venezianischen Mentalität:

- die Venezianer führten um 1000 bereits die Gabel als Essbesteck aus Byzanz ein, welche im Dialekt bis heute "peron" anstelle des ital. "forchetta" genannt wird. Im Rest Europas sollte es noch fast bis in deine so hochgepriesene Aufklärung dauern, bis man das Teufelwerk nördlich der Alpen einführte. So geht es auch mit anderen Dingen, wie später der Glasherrstellung, der Seidenherstellung, der Buchdruckerei. Die Venezianer waren für alles Neue offen, wenn sie Nutzen darin sahen - im Gegensatz zu der sonst sehr bieder-bescheidenen Auffassung des Christentums, welche große Teile Europas prägte, und oft auch schnellen Fortschritt verhinderte.
Im Übrigen führte die Einfuhr der von anderen Völkern zwispältig betrachteten Mandeln (deren Öl auch tödlich sein konnte) in Venedig zur Kreation der Süßspeise, welches sie ihrem Patron widmeten: Marci Panis, Markusbrot. Marzipan. Und das etwa 400 Jahre, bevor das Rezept nach Lübeck kam. Soweit zur Innovationsfreudigkeit...

- die Venezianer waren um 1000 schon ziemlich stark im Orientgeschäft drinne, ohne irgendwelche Vorbehalte gegen Muslime und Juden zu haben. Aufgrund des venezianischen Ethos war es egal, welcher Religion du angehörst. Wer mit mir handelt, ist mein Freund. Die Venezianer haben sich zwar anschließend dumm und dämlich an den Kreuzzügen verdient, aber immer nur als Transporteure, selbst im so oft gescholtenen 4. Kreuzzug. Ägypten war stets ein beliebter Handelspartner, das änderte sich erst 1517 mit der Angliederung ans Osmanische Reich. Die Türken wiederum waren Erzfeinde der Venezianer, was nach mehr als 700 Jahren den ägyptisch-venezianischen Austausch beendete.

- die Venezianer hatten eine echte Republik. In ihrem System regierte der "Große Rat" der Stadt, ein Gremium aus Patriziern, welche ihr Recht aus dem Sitz ihrer Vorfahren herleiteten. Ab einem gewissen Reichtum, durch Heirat oder durch besondere Verdienste für die Republik konnte man in den Rat kommen. Reichtum war wichtig, da es keine Gehälter gab, es dir bei Tode verboten war, Geschenke anzunehmen (Todesstrafe wegen Bestechung!), man Projekte mitfinanzieren musste, und fähig sein musste, dem Staat Geld, Kredite und Anleihen vorzustrecken.
Das Konzept einer Patrizierrepublik hört sich für unsere Ohren archaisch an, unter diesen Gesichtspunkten ähnelt sie aber eher der heutigen Ordnung als die unzähligen Monarchien. Die Venezianer kannten demokratische Elemente innerhalb der Staates, so wurde früher der Doge per Volksakklamation gewählt. Ab dem 12. Jahrhundert wurden aber jegliche plebiszitäre Elemnete gestrichen, da man merkte, dass das Volk größtenteils unfähig war, und ging stattdessen zu einer Herrschaft der Adligen und Reichen über, da man der Auffassung war, dass die Besten des Landes am besten den Staat lenken sollten. Aufgrund der oben genannten Umstände wäre das Eintreten eines Handwerkers in den Rat einfach unmöglich gewesen, weil er die ganzen Kosten eines Senators, Consigliero, Savio, Capo oder sonstwas gar nicht hätte bezahlen können, die anfielen - jeder hatte seinen Platz.
In gewisser Weise imitierten die Venezianer damit eine Mischung aus Platons Staat und den Vorstellungen der Liberalen des 18./19. Jahrhunderts - letztere wollten auch nicht, dass "die Gosse wählt", sondern eine Versammlung der reichsten und besten des Landes, oben drüber ein repräsentativer König. Womit ich beim...

- Venezianischen Dogen wäre. Republikgeist ohnegleichen. Tatsächlich war der Mann im frühen Mittelalter ein Herzog, wurde aber von den Ratsleuten in seiner Macht so beschnitten, so begrenzt, so überwacht, seiner Kompetenzen beraubt und nur noch als Aushängeschild benutzt, dass er reine Repräsentationsfigur war. Er verkörperte die Republik, war es aber nicht, sondern die Räte, in denen die Gleichen unter Gleichen saßen (wenn es denn Patrizier waren). Der Doge war in etwa das, was heute der Bundespräsident darstellt. Mit dem mittelalterlichen Dneken, dass "der, der König heißt, auch König sein muss", geht das gar nicht konform (letzteres Zitat führte dazu, dass der Hausmeier Pippin den Frankenkönig der Merowinger absetzte, sich selbst zum König erhob, und das Geschlecht der Karolinger begründete, aus welchem Karl der Große hervorging).

- Venezianische Sozialsystem. Die Republik hatte eine vorbildliche staatliche Fürsorge, welche von den Wohlfahrten ausging, welche Schuole (Einzahl Schuola) hießen. Die Schuole waren den Gilden ähnlich. Berufsgruppen waren darin eingetragen, fanden sich zusammen, bestimmten Löhne und Preise. Wurde ein Meister arbeitslos, ein Geselle, etc., so kam die Wohlfahrt für ihn auf. Er bekam für die Dauer seiner Arbeitslosigkeit ein Mindestsoll an Nahrung und Geld, um über die Runden zu kommen. Eröffnete jemand einen neuen Betrieb, wandte man sich zuerst an die Schuole, um Arbeitslose wieder in Arbeit zu führen. Zudem gaben die Schuole Kredite (mit moderatem Zins) an arbeitslose Meister, damit sich diese eine neue Existenz gründen konnten - unter hoher Aufsicht der Vorsteher, welche prüften, ob das Geld richtig verwendet wurde, und im Ernstfall auch wieder pfänden und alles einziehen konnten.
Auch in anderen Bereichen gab es Einrichtungen, die dem modernen Sozialstaat in nicht viel nachstehen (teils vielleicht überflügeln?). Viele Schuole wurden zu reichen und mächtigen Organisationen innerhalb der Stadtinstitutionen, die aufgrund der zahlreichen "Mitgliederbeiträge" Unsummen für Kunst und Kultur ausgeben konnten (was in Venedig den Anstoß zur großen Kulturwelle der Malerei der venz. Renaissance gab).
In der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft waren Waisen oft ein großes Problem, welcher sich allein die Kirchen annahmen, und ohne diese kaum eine Möglichkeit auf ein gutes, wenn überhaupt ein irgendwie geartetes Leben hatten. Der venezianische Staat, welcher die Hospize, Kapellen und Pfarreien ebenfalls unter Kontrolle hatte, sowie die Waisenhäuser, wusste selbst dies zu nutzen: die Kinder wurden als Musiker erzogen. War ihre Stimme gut, kamen sie in die Gesangsgruppen, wenn nicht, mussten sie ein Instrument erlernen. So züchtete sich Venedig eine Masse von Musikern und Sängern heran, welche die Stadt zum Zentrum der europäischen Komposition machte, da genug "Rohmaterial" vorhanden war. Waisenhäuser waren regelrechte Konservatorien, Kirchen wurden zu Gesangshallen. Zuerst nur sakral eingesetzt, wurden in den späteren Madrigalchören und frühen Opern die Kinder zu regelrechten Stars und verdienten hohe Einkommen, die ihnen (und den früheren Erziehern) ein gutes Auskommen sicherten.
Das hörte erst im 18. Jahrhundert auf, als Wien langsam an Bedeutung gewann. Einer der letzten Pfarrer, der es zu Ruhm als Vorsteher eines Waisenhauses brachte, war im Übrigen Antonio Vivaldi...

- Venezianische Entdeckungsfreudigkeit. Typisch beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit ist das Befreien aus den engen Grenzen, hin zum Suchen nach der Weite, neuen Horizonten. Kolumbus war Genuese, aber Marco Polo, Niccolo di Conti die Cabotos (Giovanni und Sebastiano) und Ca da Mosto sind auch erwähnenswert, finde ich. Fast alle Entdeckungen der Neuen Welt sind - wenn es denn Seeerkundung war und nicht Eroberung - von Männern aus dem heutigen Italien geführt worden. Weiso? Weil das Herausbrechen für diese lLeute aus "aufgeklärterem" Haus einfacher war als für die zumeist noch recht auf Kreuzzug und Landkrieg konzentrierten Spanier, welche es anfangs Experten überließen, für sie das Land zu erkunden. Es gehört ein gewisses Maß an Intelligenz und Vision dazu, drei Wochen über grenzenloses Wasser zu schippern, und da gehörten neben Toskanern, Ligurern und anderen auch die Veneter dazu. Anderen fehlte das offensichtlich.

- Venezianische Bildung. Wir wissen aus Dokumenten, welche im Austausch zwischen verschiedenen Städten Italiens entstanden, dass die Venezianer um das Jahr 1000 herum den höchsten Alphabetisierungsstand ganz Italiens (und damit vermutlich Westeuropas) besaßen. Beispiel: bei Handelsverträgen, diplomatischen Angelegenheiten und sonstigen Papieren unterschreiben fast alle Teilnehmer stets mit einem einfachen x. Venezianer immer mit ihrem Namen.
Grund dafür ist die in Venedig bewahrte byzantinische Tradition (und damit römische), nämlich dass Schreiben keine Angelegenheit von Wenigen ist, sondern übliches Mittel im Alltag. Selbst Werftarbeiter konnten schreiben. Sich schriftlich beim Rat beschweren (was in anderen Teilen Europas schon unmöglich war, weil die Anfertigung einer schriftlichen Klage durch einen Notar nicht immer erschwinglich war), zudem musste man allgemeine Verkündungen lesen, die selten ausgerufen wurden, sondern vielmehr auf der Piazza San Marco ausgehängt wurden.
Die Alphabetisierungsrate war daher bis ins 18. Jahrhundert im Vergleich zu anderen europäischen Staaten geradezu exponentiell hoch. Weshalb Venedig auch immer eine der wichtigsten Buchbinder-, später Druckereistandorte war. Und Bildung ist der Grundstock für eine "aufgeklärte" Gesellschaft.

- Venezianische Identifikation, "Nation"gefühl. Eine Sache ist besonders erstaunlich, nämlich das Selbstverständnis der Venezianer im Bezug auf das, was sie sind, und was ihren Staat ausmacht. Die frz. Revolutionäre streiten ja partout ab, dass es einen Staat ohne Verfassung geben kann, daher wäre auch die Republik nach aufgeklärten Maßstäben keine, weil es keine festgeschrieben Verfassung gab, sondern die Staatsmänner sich nach Gewohnheitsrecht orientierten, was bei einem Komplex aus mehreren Räten, Gremien, Versammlungen, Hauptversammlungen und Gerichtsbarkeiten und Ausschüssen nicht gerade einfach war. Eine Trennung zwischen Executive, Legislative und Judikative gab es freilich nach montesquiescher Vorstellung nicht.
In früheren Zeiten war die Volks- und Staatszugehörigkeit eine schwierige Sache. Aufgrund der Fürstenschaft war man weniger Deutscher, als vielmehr Untertan des römisch-deutschen Kaisers. Zugehörigkeit definierte sich durch ein Verhältnis zum Herrscher. Unsere heutigen Nationalsstaaten erleichtern uns natürlich zu sagen, dass man Spanier oder Franzose ist, in der damaligen Zeit der Splitterstaaten war es natürlich deutlich schwieriger.

Trotzdem gab es ein "Wir"-Gefühl. Das gab es durch den Glauben natürlich in ganz Europa, aber die Venezianer waren besonders aufgrund ihres Stolzes, und der Gewissheit, Venezianer sein, nicht überall beliebt ( :D ). Die Identifikation mit dem Staat lief hier nicht über den Herrscher, welcher Schutz und Versorgung gewährte, sondern war ein ureigenes Gefühl, vergleichbar der Arroganz der Franzosen (wenn auch nicht derart stark). Wir sind erst Venezianer, dann Christen. Das sagt es.

Ein Beispiel, um es zu verdeutlichen: als Napoleon den Veneto eroberte, leisteten ihm die Veroneser Widerstand. Nicht die Armee, nicht die Bataillone, nicht die Artillerie, sondern Bürger, die sich bewaffneten, Milizen bildeten und sich gegen die Franzosen wehrten, die Banner des Löwen hissten und in einem Himmelfahrtskommando sich den besatzern entgegenstellten. Die herrschenden Patrizier, welche größtenteils nicht in Venedig waren, und nichts riskieren wollte, hielten sich zurück, aber das Volk, die Veneter kämpften. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen.

Nachdem auch Venedig gefallen war, wiederholte sich dasselbe Spiel dort. Der aufgebrachte Mob hob, obwohl die Republik offiziell aufgelöst war, die alte Bandiere von San Marco auf, und versuchte sich ein letztes Mal aufzubäumen, in einer Art des Patriotismus, der über Jahrhunderte bewahrt worden war, und ein letztes Mal zum Ausbruch kam. Geschichten wie diese gibt es viele, ich nenne aber ausgerechnet diese, weil die ach so aufgeklärten Franzosen mit ihren Idealen der Aufklärung selbstverblendet den Venezianern zuriefen:

Diese Fanatiker! Sie rufen ihren Patron! (unter dem Kampfruf der Venezianer:San Marco co nu!)

und den Mob, der für Freiheit und Unabhängigkeit kämpfte, an die eigenen Ideale glaubte, brutalst niederschossen. Es war ja zu ihrem besten. Napoleon hatte sie von ihrer Bevormundung befreit, von dieser bösen, bösen Republik. Lang lebe das Empire Napoleons, der Alleinherrscher (der eine Republik abschaffte), Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!

Das ist die Hybris der Aufklärung.


PS: Die Venezianer hatten keinen Zaubertrank, sonst hätten sie sich nicht in fast 400jährigen Kampf mit den Osmanen zermürbt, sondern es gäbe ein wunderbares venetisches Kolonialreich von Bergamo bis Antiochia und Alexandria :)




PPS: Sehe in der Vorschau, dass du wieder geantwortet hast. Du bekommst morgen deine Antwort, herrscherschatzi, Scipiobärli finde ich übrigens süß. :)
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Larnak

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Freitag, 29. August 2008, 00:36

Nur ganz kurz:

Warum schreibst du einen RIIIIEEESIIIGGEEEEENNNN Post, nur um dem Herrscher zu zeigen, dass der böse Holzabbau nicht so schlimm war, wie er denkt?
Dazu hätten doch die 5 Zeilen über die Profitgier, den heutigen Raubbau und dem nicht bestehenden Zusammenhang zwischen dem Raubbau und der Kirche bzw. der "mittelalterlichen dummen Welt" gereicht, oder habe ich jetzt irgendwas übersehen?

Oder geht es da jetzt schon wieder darum, zu zeigen, dass die Mittelmeeranrainer eben doch besser waren als die deutschen Gebiete?

Manchmal wäre es gut, wenn du bei deinen langen Texten den Zweck der Aussagen davor schreibst, Leserführung und so :)

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Larnak« (29. August 2008, 00:41)


Scipio Maior

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Freitag, 29. August 2008, 00:55

Zitat

Original von Larnak
Nur ganz kurz:

Warum schreibst du einen RIIIIEEESIIIGGEEEEENNNN Post, nur um dem Herrscher zu zeigen, dass der böse Holzabbau nicht so schlimm war, wie er denkt?
Dazu hätten doch die 5 Zeilen über die Profitgier, den heutigen Raubbau und dem nicht bestehenden Zusammenhang zwischen dem Raubbau und der Kirche bzw. der "mittelalterlichen dummen Welt" gereicht, oder habe ich jetzt irgendwas übersehen?


Es geht nicht darum, den Holzabbau zu verharmlosen. Das ist keine schöne Sache, ich habs ja auch gesehen. Aber man muss es eben im historischen Kontext sehen.

a) Die Leute (ansässige Dalmatier) lebten davon, und profitierten vom venezianischen "Hunger". Natur schön und gut, aber letztendlich war das ein hartes Leben, und du warst froh, wenn du was zu mampfen hast. Da ist der Herr Zorzi aus Venedig, der mit dem Geldbeutel für dein Waldstück klingelt nur willkommen...

b) Wir (heute) sind nicht besser als die (damals), hat nichts mit Mittelalterdenken zu tun. Nur, wir moralisieren und palavern rum, und tun doch nichts. Aber wenigstens mal auf andere eingedroschen.

c) aus Punkt b) heraus habe ich mir selbst die Frage gestellt, warum er das eigentlich überhaupt anspricht, da dies kein venezianisches, sondern ein weltweites Phänomen ist, das an allen Orten und in allen Zeiten auftrat. Ich habe ja deshalb sogar noch einmal nachgefragt, ob meine Gedankengänge zutreffen, und etwas rumüberlegt, und da ich immer noch nicht weiß, was er eigentlich damit sagen will, habe ich mal nachgefragt :scratch:
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Larnak

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Freitag, 29. August 2008, 01:02

Zitat

Original von Scipio Maior
und da ich immer noch nicht weiß, was er eigentlich damit sagen will, habe ich mal nachgefragt :scratch:


Und dann einfach ein bisschen über die Venezianer erzählt? :D

PS: Gute Nacht ;)

Scipio Maior

Vollmatrose

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Freitag, 29. August 2008, 01:18

Zitat

Original von Larnak

Zitat

Original von Scipio Maior
und da ich immer noch nicht weiß, was er eigentlich damit sagen will, habe ich mal nachgefragt :scratch:


Und dann einfach ein bisschen über die Venezianer erzählt? :D

PS: Gute Nacht ;)


Ach so, du meintest den ganzen Post. Nein, das war eine Antwort darauf, dass die Venezianer im Kopp genauso zurück waren wie alle anderen auch. Das habe ich eben wiedelegt, indem ich Punkte nannte, welche sie herausbrechen lassen, und untypisch für Mittelalter und mittelalterliches Denken ist. Ich weiß nicht, wie oft ich noch sagen soll, dass Mittelalter von Region zu Region nicht Mittelalter ist.

Jetzt habe ich ihm schön ausführlich geschrieben, weshalb die Venezianer "untypisch" sind, vielleicht auch fortschrittlicher, als andere Zeitgenossen, und vom Geist her viel früher in der Neuzeit waren als andere Völker Europas. Er schwafelte ja was von Zaubertrank oder so.

In diesem Zusammenhang habe ich unserem Aufklärungsfan aufgezeigt, dass es da durchaus Sachen gab, die nah an der Aufklärung, deren Geist etc. waren. Besonders eben dieses staatliche Monopol auf Glauben, was quasi dazu führte, dass die Kirche politisch keine Rolle spielte. Insofern ist zB. Laizismus keine Idee der Aufklärung, was ja viele Aufklärer glauben. Ebensowenig die Idee von Nation. Und natürlich die von der Bildung für alle. Ist doch bezeichnend, dass in so einem mittelalterlichen Staat mehr Menschen schreiben konnten als im revolutionären Frankreich, oder? Nicht zu vergessen diese sozialen Fürsorgesysteme, die Schuole waren das erste Sozialnetzwerk, lange vor Bismarck.

Zitat

auch wenn die venezianer schon tolle häfen gebaut haben (mit kroatischem holz, weshalb dalmatien jetzt so hübsch kahlgeschlagen ist) und vielleicht hatten sie auch den zaubertrank, im kopf waren sie so tief im mittelalter wie alle anderen europäischen staatsgebilde dieser zeit.


Ich hätte auch einfach sagen können: NEIN.
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Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Scipio Maior« (29. August 2008, 01:26)


der herrscher

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Freitag, 29. August 2008, 01:48

ach, jetzt wollte ich gerade runterfahren ...

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Nichts für ungut, aber was war denn das bitte sonst? Ein versehentliches vertauschen der Wahrheit? Da ist eine Propaganda aber wesentlich wahrscheinlicher


es war eine völlig gerechtfertigte und lange überfällige reaktion auf 1600 jahre kirchlichen bockmist! und es war die erkenntnis, dass das individuum unabhängig von einem gedachten jenseits im tatsächlichen leben einen gewissen wert besitzt.

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Und trotzdem die Aufklärer oder einige davon das Mittelalter schlechter gemacht haben, als es war, bestreitet ja keiner, dass sie wichtige Dinge geleistet haben, von daher musst du niemandem erklären, wo er denn wäre, wenn es die Aufklärer nicht gegeben hätte. Zwischen deinen zwei Sätzen besteht kein logischer Zusammenhang, oder übersehe ich da etwas?


wenn man jemandem propaganda unterstellt ist das ein schönes synonym für die behauptung, er würde systematisch und institutionell lügen. tatsächlich kann propaganda, so wie im falle der aufklärer, eine gewisse berechtigung haben. doch die plumpe aussage:"das war doch alles nur propaganda" impliziert, dass die inhalte negativer natur sein müssten. das ist die art von propaganda, wie wir sie von allen kommunistischen oder faschistischen staaten der geschichte und vielen anderen totalitären systemen, auch fiktiven, kennen. doch die propaganda der aufklärer (und deswegen will ich sie nicht so nennen) hatte einen guten zweck, sie hat den menschen wieder vom opiumnebel des glaubens befreit.

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Und dass die Kirche immer toll war, sagt Scipio auch nicht, nur, dass sie keine Hexen verbrannt hat und teilweise Indianer gerettet haben soll, sowie, dass die Hauptverbrechen der Spanier von weltlichen Mächten ausging, auf die die Kirche keinen ausreichenden Einfluss gehabt haben soll


das problem war die ständige verstrickung von weltlichem und kirchlichem. aber es ist sicher richtig, dass ich hier in scipios aussagen zu viel hinein interpretiert habe, bin auch nur ein mensch. ganz offen gesagt: ich habe bemerkt, dass er mir sowas sehr gut selbst mitteilen kann und auch wenn er mehr sätze dafür braucht, lasse ich mich immer lieber von demjenigen zurechtweisen, dessen aussagen ich vorher verdreht habe.

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hast du dir auch dazuerfunden, so eine Meinung ist in Scipios Post in keiner Weise enthalten.


ja natürlich, gleiches recht für alle. in scipios post ist viel enthalten, auf das man nicht antworten kann. das weiß er auch und er kann es auch sehr gut einsetzen. wenn ich einzelne beispiele für gewisse geschichtliche interpretationen herausnehme (-n könnte) und sie schön ausgiebig ausschmücke, erhalte ich eine glaubhafte und für jeden leser seriös wirkende argumentationsbasis. doch mich interessiert nicht ob irgendein papst eh ganz nett war oder ob es in der kirche auch freundliche kräfte gab (no na), die leben retteten. mich interessiert der wendepunkt der geistigen kurve vom mittelalter zur neuzeit. das datum des buchdrucks oder der entdeckung amerikas habe ich als schulwissen wiedergegeben, doch meine ansicht ist das nicht gewesen. daher sind die standpunkte auch so weit auseinander, denn ich kann vor der aufklärung kein ende der mittelalterlichen denkweisen feststellen. vielleicht punktuell und temporär, aber nicht so nachhaltig und großflächig wie zur zeit der aufklärung!

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Das steht in keinem Widerspruch zu deiner Behauptung, die Kirche stünde nur für Zensur und geistige Monopolbildung.


meine behauptung ist einfach: das mittelalter, wollen wir es nun angeblich sehr früh für die südlichen länder, und 1450 für die "zurückgebliebenen" nordländer enden lassen :g: zog seine spuren noch weit mit sich. den schlußstrich stellte die aufklärung mit ihren (dir offenbar in ihrer tragweite nicht bewußten) erkenntnissen dar. scipio neigt eher dazu, die leistungen einiger kulturen hervorzuheben und setzt seine argumentation für das ende des mittelalters bei gewissen errungenschaften oder technischen/sozialen fortschritten an, bei handelsgeschick oder diplomatie, während er die rolle der kirche unter den teppich kehrt. ich stelle nur eine behauptung auf, die ich offenbar zu gut unter eigenwilligen widersprüchen verstecke: kein land, das in seiner staatsform eine derart dominante religiöse gewalt duldet, kann sich als neuzeitlich definieren. erst die emanzipation vom paradies hat es dem menschen in europa ermöglicht, sich geistig wieder vorwärts (dann leider wieder rückwärts) zu entwickeln.

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Ich will mich zu dem Wahrheitsgehalt dieser These hier nicht äußern, sondern nur zeigen, dass sie nicht im Widerspruch zu den Inhalten in Scipios Post steht und somit nicht unbedingt als Erwiderung taugt


dann vielleicht als unterhaltung. zumindest scipiobärli ich amüsieren uns sicher bestens!

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Manchmal wäre es gut, wenn du bei deinen langen Texten den Zweck der Aussagen davor schreibst, Leserführung und so


jaja, das internetzeitalter. alles muss rasch abrufbar sein, keine zeit für ein wenig ausführlichere gedanken, man langweilt sich ja so schnell. und den ganzen post lesen nur für die aussage: "der herrscher hat doch keine ahnung" war jetzt schon mühsam...

also ich freu mich wenn scipio blutige finger in kauf nimmt (ich meine vom schreiben, das ist keine drohung! :D ) um mir zu zeigen, was ich alles nicht weiß. warum liest du einen RIIIEEESIIGGEEEEENNNN Post, nur um ihn danach nicht gelesen gewollt haben zu müssen? gewollt haben zu lesen müssen? lesen nicht gewollt hätten haben nachher? sorry, ich kann das heute nimmer....
  ich kann aufhören wann immer ich will

der herrscher

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19

Freitag, 29. August 2008, 11:50

so, nachdem ich nun wieder geradeaus schauen kann habe ich mir in ruhe die episoden über die venezianer durchgelesen. natürlich hast du sorgfältig jene bereiche ausgesucht, die einen fortschrittlichen staat suggerieren, der in seiner entwicklung teilweise (wie du selbst an einer stelle sagst) den modernen staatssystemen um nichts nachsteht. ich will mal zur abwechslung versuchen an diesem gedanken das hervorzuheben, worin wir uns offenbar nicht so uneinig sind. dabei ist mir besonders dieser satz aufgefallen:

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Erklärs mir mal bitte ausführlicher. Wie gesagt, Raubbau ist heute noch viel schlimmer als damals, da müssten wir ja Neanderthaler sein... und wenn du den Venezianer vorwirfst, sie hätten besser handeln sollen, mein Gott, dann verlangst du von Leuten, die vor uns lebten, mehr als von uns selbst heute. Ich glaube, das passt in keiner Weise zusammen, oder?


ja wir sind auch heute noch gierige, egoistische monster, wir argumentieren es nur besser. wir überfallen länder nicht mehr weil sie schöne ressourcen haben, sondern weil sie von bösen menschen regiert werden und wir doch nur liebe und demokratie für alle verbreiten wollen. also waren die venezianer nicht so gut wie wir, sondern wir sind so schlecht wie sie waren. ein schöner trost...

ich kehre noch mal weit zurück, als wir uns darüber uneinig waren, dass die länder des mittelmeerraums früher in die neuzeit geschlüpft sind als die rückständigen binnenländer. nehmen wir mal new york als vergleich. die stadt hat den ruf von weltoffenheit, toleranz und verständnis für andere kulturen, schon allein deshalb, weil die stadt ja aus zig kulturen gebildet wird. doch genau diese dinge würde ein vernünftig denkender mensch dem durchschnittlichem amerikaner heute völlig absprechen. mehr noch, amerika ist der inbegriff von engstirnigkeit und unwissenheit über das vorgehen in anderen kulturen geworden, nicht erst seit es einen präsidenten hat, der davor noch nie im ausland (mexiko zählt nicht :-) ) war. das bild einer kultur wird also durch den gesamteindruck geprägt. natürlich machen sich immer mehr abstufungen bemerkbar, je tiefer man sich einer materie widmet. sollen die veneziander also von mir aus die neuzeit eingeläutet haben, als die deutschen noch mit mistgabeln hexen jagten. die römer hatten auch schon kanalsysteme und heizungen, als die germanenstämme noch in den wäldern lebten und ihre fäkalien verehrten. im heutigen pakistan gibt es paläste mit klimasystemen, die riesige räume ohne jede form von elektrischer energie kühlen. und das in einer zeit wo manche europäer noch nicht einmal die schrift kannten. ich kann eine geschichtliche diskussion auf so hohem niveau leider nicht mit dir führen, so wie du (wie du woanders schreibst) nicht über höhere mathematik diskutieren könntest. mich hat vor allem dein chauvinismus aufgeregt, denn ich sehe keinen sinn mehr darin aus historischen gegebenheiten eine überlegenheit gewisser kulturen abzuleiten. der übergang von einer epoche zur nächsten, will er den anspruch von gültigkeit erheben, muss sich in großem maße ablesen lassen. es reicht nicht dass einzelne ausbrüche in kurzen zeiträumen existiert haben, denn sonst gab es eigentlich nie ein mittelalter. irgendwo gab es sicher immer irgendwen, der alles anders gemacht hat.
und was ich zur eu kohle gesagt habe war kein ausdruck meiner mißgunst, es sollte den standpunkt relativieren, dass die deutschen "eh immer zurückgeblieben waren". denn dinge ändern sich, mal ist das eine volk in seiner blüte, dann wieder ein anderes. vor allem in europa kennen wir dieses spiel sehr gut. ich streite gar nicht mehr ab, dass es ausscherer aus dem dunklen kapitel mittelalter gegeben haben mag, nur ist das für mich kein grund eine generelle überlegenheit dieses oder jedes volkes abzuleiten. für dich, so wie du es damals formuliert hast aber reicht eine überlegenheit in der vergangenheit, um rückschlüsse auf die gegenwart zu ziehen.

"weil ihr eh immer zurückgeblieben ward" wird von dir noch dazu später als faktum verteidigt, dem habe ich einfach entgegengehalten, dass heute eben die italiener zurückgeblieben sind, weil sie etwa zu dämlich sind eine repräsentative regierungsform zu akzeptieren und in sehr feudalen und egoistischen bahnen denken. und wenn du schreibst du wärst deutscher, dann ist die formulierung "ihr ward zurückgeblieben" schlicht falsch. dann hättest du schreiben müssen "wir waren zurückgeblieben"

damit hast du suggeriert, dass du dich nur dann als deutscher fühlst, wenn es gerade praktisch ist.
  ich kann aufhören wann immer ich will

annophil

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20

Sonntag, 31. August 2008, 11:31

Ganz nett ist auch der heutige [URL=http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,573302,00.html]Sommerlochartikel[/URL] in Spiegel online über Tatsachen, Tarnen und Täuschen besonders im Mittelalter. :ohoh:
  gruß

"Vernunft" - das ist wohl so etwas wie ansteckende Gesundheit