Ich höre mittlerweile garnichts mehr. Ich habe mir einfach keinen genügend großen Fundus an Musik meines Geschmacks anlegen können. Und so hat sich das ganze irgendwann abgenutzt. Warum das so ist, weiß ich nicht genau, obwohl ich mir schon oft darüber Gedanken gemacht habe. Mir interessehalber ein ganzes Album zu kaufen, weil ich ein Lied ganz gut fand, habe ich jedenfalls schon früh aufgegeben, weil es immer nur auf 2 Möglichkeiten hinauslief: Entweder die restlichen Titel unterschieden sich stark von dem Titel, der Kaufanreiz war. Dann war es meist rausgeschmissenes Geld, denn um anderes zu hören, hätte ich mir auch x-beliebiges kaufen können. Manche machen das. Mir wäre das zu schade ums Geld gewesen. Hinzu kommt die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Titel, der es bis zu mir schaffte, weil er im Radio rauf und runter gespielt wurde oder so, meist auch der gefälligste des ganzen Albums war. Die Macher wissen einfach, was ankommt. Entsprechend ist bei einem solchen Quer-Beet-Album der Rest meist Schrott, den ich mir wegen des ausgegebenen Geldes dann mutwillig 20 mal reingefahren habe, um herauszufinden, ob davon die Ästhetik-Areale meines Gehirns genügend aufgeweicht werden und ich so der größte Fan davon werde. Hat nie geklappt. Im Gegenteil.
Oder der tolle Titel war kaum wiederzufinden, weil alles auf dem Album nach Schema F war.
Auch bei Hit-Sammlungen fing ich immer schon ersten Hören der Scheibe an, den Müll darauf zu überskippen. Beim 2. Mal blieb schon nur weniger als die Hälfte der Titel für mich von denen ich schon beim 3. Mal abermals die Hälfte nicht mehr hören konnte. Am Ende blieben dann vielleicht 2 Titel. Komischerweise lagen die immer sehr weit auseinander. Nummer 2 und Nummer 18 oder sowas. Die Titel waren die Skipperei dann auch nicht wert.
Ich hatte mich damit eigentlich schon abgefunden. Ich würde wohl nie auf die Frage "Was hörst Du denn so?" eine schier endlose Litanei an Titeln oder gar Bands herunterrattern können. Irgendwie hatte ich da wohl einen Zug verpasst. Ich hätte wie fast jeder andere Pubertierende mich zu gegebener Zeit hinsetzen müssen und mir über die Fragen "Welche Musik finde ich gut? Welche Bands nennst Du, wenn Du danach gefragt wirst? " einfach Gedanken machen müssen. Dabei hätte ich dann genau die richtige Mischung finden müssen.
Als Pubertierender spielt es ja keine Rolle, dass das alles nur künstlich daherkonstruhiert gewesen wäre und eigentlich kaum etwas mit wirklichen Vorlieben zu tun hat. Wo soll der Musikgeschmack auch herkommen, wenn man einfach noch überhaupt keinen Einstieg in dieses Metier gefunden hat? Von all den Kinderliedern aus dem Kindergarten oder dem Musikunterricht? Nein, die Lieblings-Musikrichtung wird nicht eingeschlagen, weil man die Melodieführung oder den Klang der Instrumente so mag. Die Aspekte, die dabei die größte Rolle spielen haben mit Musik sogar am allerwenigsten zu tun. Entscheidend in der pubertären Phase sind Dinge wie
Was hört sich völlig anders an, als das was meine Eltern hören? Was hören die Looser? Womit träfe ich den Geschmack eines genügend großen Kreises? Was hört die Klassenschönste eigentlich? Oder was hört der, auf den sie steht? Oder nein, dann wäre ich nur Nachahmer und er der Trendsetter. Genau! Womit könnte ich auch mal einen Trend setzen? Hat der Text eine auffordernde Message und werde ich zu Dingen aufgefordert, die ich bisher nicht durfte? Vielleicht sogar zur Auflehnung gegen alles? Oder noch besser: Ist der Text so schwammig, dass ich mir sogar selbst ausdenken kann, wozu er mich auffordert, oder lässt soviel Raum, dass mich jede Zeile in meinem Andersdenken bestätigt? Ist der Bandname kurz genug, um ihn möglichst schnell und oft in die Schulbank zu schnitzen? Wäre ich damit was besonderes, und dennoch kein Sonderling?
Daneben gibt es nur das übliche: Man findet als pubertierender die Musik toll, die an genau jenen Anlässen die angeblich wichtigste Rolle spielt, an dem das stattfindet, was wirklich die wichtigste Rolle spielt: die Geschlechter finden erstmals zusammen. Da hat man sein ganzes Leben bis dahin verbracht, das andere Geschlecht zu beschimpfen, zu ärgern, zu verteufeln und plötzlich fällt dieses Weltbild in sich zusammen. Entsprechend unerfahren und schüchtern spielt sich das ganze ab. Es braucht eine gewisse Zeit bis man sich als 12-13jähriger selbst eingesteht, dass man das alles doch nur wegen des (der, dem) einen macht. Bis man erkennt, worauf es hinausläuft, braucht man einen guten aber natürlich vorgeschobenen Grund für all das. Und der ist Musik. Musik ist eine der Eintrittskarten in das Erwachsenwerden, erleichtert dem einen oder anderen den aus seiner Sicht erstrebenswerten Eintritt in bestimmte Kreise, kann ein Werkzeug sein um sich in eine Stimmung aus einer breite Pallette zu begeben, und kann so vielleicht auch bei jüngeren Menschen dafür sorgen, dass sie sich im gewissen Maße selbst sogar zu dem formen, was sie gerne sein würden.
Aber wie gesagt, habe ich diesen Zug irgendwie verpasst. Vielleicht hatte das auch was mit diesem Geschlechter-Ding zu tun. Ich hielt Musik und Disko und Feten schon sehr früh nicht für den besten Rahmen um mit Mädchen/Frauen in Kontakt zu kommen. Ich weiß auch heute noch nicht, wie das funktionieren kann. Man brüllt sich gegenseitig ein paar Dreiwortsätze in die Ohren und geht anschließend erstmal in die Kiste, sich dann anschließend den CD-Ständer anzusehen um rauszufinden ob das ganze was festes werden könnte? Warum sollte ich überhaupt einer Frau in die Ohren brüllen, die ich garnicht kenne? Da ist es echt kein Wunder, dass ich eigentlich außerhalb dieser Szene immer ganz gute Karten bei Frauen hatte. Vor lauter Brüllerei empfanden die es eigentlich immer als angenehme Abwechslung, wenn man sich mit ihnen einfach nur mal unterhalten hat. Mal etwas anderes als
"Hey Du siehst ja echt scharf aus!"
"Hä?!?"
"Siehst SCHARF aus!"
"Hä?!?"
"SCHAAAHAARF!!!"
"SCHAF ?!?"
"JAAAHAAA!"
*batsch*
Musik hat im Endeffekt also auch mir den Weg geebnet. Nur eben genau andersrum. Weil ich sie eher mied. Kaum Disco, keine riesige CD-Sammlung, keine teure Stereo-Anlage... Da kam einiges an Geld zusammen um mit Frauen mal gepflegt Essen zu gehen usw.