Achtung: Der Autor ist nicht nur historisch interessiert, sondern auch linguistisch und - noch schlimmer: - Italiener. Man sehe hier meine detaillierten Ausführungen nach, allerdings muss ich dafür etwas ausgreifen, um die lange Vorgeschichte dieses Gags zu erklären.
In den vielen Jahren, in denen ich so allerlei geschrieben habe, hatte ich ein Problem: die Wiedergabe italienischer Dialekte im Deutschen. Meine Hauptcharaktere sind zumeist Venezianer in der Renaissance. Damals wie heute sind die Unterschiede zwischen den Dialekten - eigentlich: Sprachen - Italiens gravierend. Es existierten Schwierigkeiten bei der Kommunikation, die man sich heute nicht mehr so gut vorzustellen mag. Dazu boykottierte Venedig das Toskanische, welches sich als Literatensprache herausbildete; Venedig mit seiner eigenen Literatur (Marco Polo im Mittelalter, Goldoni in der Frühen Neuzeit) wollte seine eigene Sprache puschen. Im Gegensatz zu den Deutschen Territorien, in denen Hochdeutsch (wenn auch in alter Form) in irgendeiner Varietät Amtssprache war, hatten die damaligen italienischen Staaten tatsächlich die eigene Sprache/Dialekt als Amtssprache.
Das heißt: wenn man sich die Korrespondenzen der deutschen Kurfürsten des 16. Jahrhunderts durchliest, dann ist dies durchaus eine Form des damaligen Hochdeutsch und ähnelte denen anderer Fürsten. In Venedig dagegen waren Dokumente in Venezianisch, in Florenz Florentinisch verfasst. Man kann sich demnach auch den Streit in dieser Zeit vorstellen, insbesondere zwischen den Regionalmächten, wer denn nun das beste oder "richtige" Italienisch spräche; Italien fand zur heutigen Sprache erst im 19. Jahrhundert, unter besonderem Einfluss Alessandro Manzonis, dessen Bedeutung in Italien einer Mischung zwischen Goethe, Luther und den Gebrüdern Grimm in Deutschland entspräche. Stilbildend für die italienische Sprache war sein Historischer Roman (!), die "Promessi Sposi".
Nun der Bogen zu meinen Geschichten. Um anzudeuten, dass die Venezianer nun in ihrem eigenen Dialekt sprachen, und nicht mehr in der Hochsprache, genügte mir eine bloße Erwähnung des Umstandes nicht mehr. Plakativ wählte ich für das Venezianische die rheinische Mundart, allerdings nach Gehör; obwohl mir bewusst ist, dass es mittlerweile eine Kölsche Akademie "für unsere Sprache" gibt, bleibe ich bei dem Dialekt meiner Mutter und Großmutter. Zudem handelt es sich dabei um das Bönnsche, welches einige kleine, aber feine Unterschiede zum Kölschen aufweist (meistens die Umwandlung eines U-Lautes in einen O-Laut, statt Beibehaltung desselben; dazu das Fehlen von Diphtongen).*
Mit der Zeit wurde daraus ein Running-Gag.
Denn auch andere italienische Varietäten bekamen im Verlauf der letzten zehn Jahre ihre deutsche Entsprechung. Die Florentiner sprechen beispielsweise Schwäbisch. So existiert in einem meiner Bücher ein Dialog zwischen Leonardo da Vinci und Niccolò Machiavelli, der nur in diesem Idiom gehalten ist. Die Sienesen, die Erzfeinde von Florenz, werden von ihnen im Übrigen als "badensische, grottafalscha Bagaasch" tituliert. Römer sprechen Berlinerisch ("Dett is Rom, wa?"), Ladiner Bayrisch, Sizilianer Sächsisch. Ich hatte das Glück im Laufe der Jahre - vor allem in der hiesigen Anno-Community - immer wieder Leute zu finden, welche mir die Stellen "übersetzten".
Die "Tochter" spielt eigentlich unabhängig von meinen restlichen Geschichten. Ich habe aber diese Eigenart beibehalten, da ich ja vielleicht auch irgendwann einmal den Rest rausbringe, und wollte probeweise ertesten, wie das ankommt. Da ich aber in Kontinuität zu meinen anderen Geschichten bleiben muss, beließ ich es bei der "Tochter" nur bei einigen wenigen Stellen. Ich bin froh, dass der Witz daher auch hier noch gut ankommt.
Zudem bin ich positiv über die Sprachsynchronisation von Enrico Dandolo in CiV überrascht. Das ist tatsächlich sehr schön. Man beachte auch den Venezianischen "Sing-Sang" in der Stimme. Das ist eine Übereinstimmung zwischen der Bonner Mundart und dem Venetischen, im Übrigen.
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*Bekanntes Beispiel für diese U-Laute und O-Laute ist das Wort "tun". Während es im Kölschen bei "dunn" oder "dun" bleibt, heißt es im Bönnschen "donn" bzw. "don". Bei den Diphtongen verhält es sich so, dass diese stattdessen in die Länge gezogen werden. Beispiele: "loofe" (laufen) "Ooche" (Augen).
Ich erhebe keinen Anspruch auf ein puristisches Bönnsch oder dergleichen. Mir reicht es, wenn man es als eine Rheinische Varietät erkennt. Da allerdings das Rheinische Sch (wie in Ich und Mich) eigentlich ein chch ist, dies aber zu leserlichen Problemen führen könnte, entschied ich mich zu einem einfachen Sch. Das bringt eine Nähe zu den eher rheinfränkischen Dialekten mit sich, welche nicht beabsichtigt ist, aber leider unvermeidbar, will man es nicht übertreiben.